Scaffolding: Mit “Lerngerüsten” ans Ziel

Stellt euch das folgende Szenario vor: Ihr sitzt in der Schule und eure Lehrkraft hat euch eine Aufgabe gegeben. Ab jetzt habt ihr zehn Minuten Zeit, um sie zu lösen. Die Uhr tickt. Das Problem: Obwohl ihr euch den Kopf über den Arbeitsauftrag zerbrecht, kommt ihr nicht auf die Lösung. Als es an der Zeit ist, eure Ergebnisse vorzustellen, haltet ihr die Luft an, vermeidet Blickkontakt mit der Lehrkraft und hofft, bloß nicht aufgerufen zu werden.

 

Situationen wie diese kennt wohl jede*r von uns aus der Schulzeit - und erinnert sich mit Sicherheit nur ungern an das Gefühl der Überforderung und Panik, das mit diesem Szenario einhergeht. Nicht selten setzt an dieser Stelle auch Frustration ein und der Gedanke, nicht gut genug zu sein, macht sich breit. Für Schüler*innen mit Deutsch als Zweitsprache wird die Lage dabei noch erschwert: Schließlich müssen sie die jeweiligen Aufgaben auch noch in einer Sprache lösen und vorstellen, die sie gerade erst lernen.

 

Sicherheit durch unterstützende Lernmaterialien

Um diese Momente der Überforderung und des Unwohlseins für ZuBaKa-Schüler*innen zu minimieren, werden unseren Scouts in regelmäßigen Workshops Methoden an die Hand gegeben. Zentral ist in diesem Zusammenhang das sogenannte Scaffolding. Der Begriff stammt von dem englischen Wort “scaffold”, was auf deutsch “Gerüst” bedeutet. Passend dazu beschreibt Scaffolding die Bereitstellung von unterstützenden Lernmaterialien, die den Schüler*innen die selbstständige Bewältigung von anspruchsvollen Aufgaben ermöglichen. Ähnlich wie ein tatsächliches Gerüst werden diese Unterstützungen den Schüler*innen vorübergehend zur Verfügung gestellt und geben ihnen ein Gefühl der Sicherheit beim Lösen der jeweiligen Aufgabe. Das Gerüst kann dann im weiteren Lernprozess Stufe für Stufe abgebaut werden, bis die Schüler*innen sich sicher genug fühlen, die Aufgabe ohne Unterstützung anzugehen. 

 

Scaffolding für Sprachanfänger*innen

Gerade für ZuBaKa-Schüler*innen, die sich noch nicht sicher in der deutschen Sprache ausdrücken können, können Scaffolds eine wertvolle Hilfe sein. Sollen die Schüler*innen beispielsweise über ein bestimmtes Thema sprechen, können ihnen Hilfekärtchen mit Satzanfängen eine Starthilfe geben. Aufgaben, die zuvor unlösbar zu sein schienen und zu Zweifeln am eigenen Können führten, werden so plötzlich machbar: Meist braucht es nur eine kleine Hilfestellung, einen kleinen Gedankenanstoß, damit die Schüler*innen sich an die Aufgabe wagen – und am Ende (verdientermaßen!) gehörig stolz auf sich sind. Denn umfassende Aufgaben wie “Beschreibe die Anziehsachen, die du gerade trägst, in einem kurzen Text!” werden durch Ideengeber wie “Ich trage gerade…” oder “Die Farbe von meiner Hose ist…” direkt viel weniger angsteinflößend. 

 

Neben Satzanfängen können auch Wortlisten, Formulierungshilfen, zusätzliche Fragestellungen oder Glossare das selbständige Formulieren von Sätzen in der Fremdsprache erleichtern – und den Schüler*innen dabei direkt auch neue Wörter nahebringen. Dabei gilt natürlich immer: Die Scaffolds sollen zwar dafür sorgen, dass sich bei Schüler*innen kein Gefühl der Frustration einstellt, sie dürfen die Aufgabe jedoch auch nicht zu stark vereinfachen. “Beim Scaffolding wird dafür gesorgt, dass Schüler*innen weder unter- noch überfordert werden”, erklärt unsere Scaffolding-Expertin Charlotte Johnson. “Die Schüler*innen werden so von ihrer Lehrkraft sowohl gefördert als auch  gefordert und nehmen Erfolgserlebnisse mit." Um dieses Ziel zu erreichen, berücksichtigen die Hilfestellungen die unterschiedlichen Lernniveaus der Schüler*innen. Die Lehrkraft kann so differenziert auf einzelne Schüler*innen eingehen: Schüler*innen, denen die Aufgabe leichter fällt, erhalten zum Beispiel nur einzelne Wörter als Hilfestellung, während Schüler*innen, die größere Schwierigkeiten haben, längere Satzteile zur Verfügung gestellt bekommen. Natürlich können zusätzlich dazu auch die Aufgaben an sich unterschiedlich gestellt werden. Je nach Kenntnisstand können die Schüler*innen Aufgaben wie das Beschreiben eines Gegenstandes nur mit dem Aufschreiben von Stichworten, ganzen Sätzen oder einem kurzen Aufsatz lösen.

 

Learning by Doing: Unsere Scout-Workshops

Der Einsatz von Scaffolding ist natürlich nicht nur bei der Arbeit mit Sprachanfänger*innen, sondern in verschiedensten schulischen Bereichen sinnvoll. Ob im Matheunterricht oder beim Lernen einer Fremdsprache, beim Schreiben eines Aufsatzes oder dem Halten einer Präsentation – Scaffolding ist vielseitig einsetzbar und ist auf jedem sprachlichen und fachlichen Niveau hilfreich. Das erfahren die ZuBaKa-Scouts in unseren Scaffolding-Workshops am eigenen Leib: Hier werden sie selbst in Situationen versetzt, in denen sie mit schwierigen Aufgaben in einer Fremdsprache konfrontiert werden und anschließend Scaffolds als Unterstützung erhalten. Dadurch können die Scouts die Erfahrungen ihrer Schüler*innen besser nachvollziehen und merken, welche Scaffolds in welchen Situationen besonders hilfreich sind. So bekommen die Scouts die Vorteile von Scaffolding nicht nur in der Theorie vorgestellt, sondern erleben sie direkt auch selbst in der Praxis – und können ihre Schüler*innen in ZuBaKa-Stunden noch besser unterstützen. 

 

Ihr wollt eigene Erfahrungen mit Scaffolding sammeln?

Um die Scouts für das Thema Scaffolding zu sensibilisieren, bekommen sie direkt zum Einstieg in den Workshop eine schwere Aufgabe auf Englisch gestellt. Nach dem ersten Schock wird diese dann durch verschiedene Scaffolds Schritt für Schritt erleichtert. Klickt euch gern durch die Bildergalerie, um selbst einen Geschmack davon zu bekommen! :-) 

 

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